Wir befinden uns an einem Scheideweg
The Great Acceleration: Sind Sie bereit, durchzustarten?
In der Geschäftswelt gehen jene als Verlierer hervor, die nicht klar und entschlossen handeln
Von Jochen Wießler, Regional President DACH & Eastern Europe, Unit4
Wir alle versuchen, mit den turbulenten Entwicklungen unserer heutigen Welt Schritt zu halten, den aktuellen Zeitgeist zu verstehen und nachzuvollziehen, wie sich Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Wünsche verändert haben, sowohl von Unternehmen als auch von Einzelpersonen. Die "Great Resignation" – eine Kündigungswelle, ausgelöst durch die mangelnde Flexibilität und unangemessene Vergütung, die viele Unternehmen bieten – ist derzeit beispielsweise in aller Munde. Ich möchte mich allerdings lieber auf das Positive konzentrieren. Die Zeit, in der Unternehmen ums blanke Überleben kämpfen mussten, ist vorbei. Stattdessen blicken wir in eine rosigere Zukunft, die durch die so genannte "Great Acceleration" geprägt sein wird.
Aber was genau ist das eigentlich? Ich würde es als eine Phase beschreiben, in der wir all unsere aufgestaute Energie in Wachstum investieren. Am Höhepunkt der Pandemie schlossen Einzelhändler ihre Läden, senkten die Kosten und verkauften ihre Waren online. Gastronomen wurden über Nacht zu Logistikexperten und digitalen Marketingspezialisten, die ihre Speisen überall anpriesen und auslieferten, um nur irgendwie durch die Krise zu kommen. Konzerthallen, Galerien, Kinos und Theater, die bereits Kriege überlebt hatten, wurden sich bewusst, dass sie diese Zeit nur überstehen konnten, wenn sie ihre Bühne ins Internet verlegten. Mittlerweile haben sich die meisten Unternehmen hoffentlich die nötige Widerstandskraft angeeignet, um so ziemlich allem standzuhalten, was auch kommen mag. Es ist jedoch an der Zeit, dass wir uns aufrappeln und unsere Kapazitäten im Hinblick auf die drei Ps stärken: Personal, Profit und Produktivität.
Wir befinden uns an einem Scheideweg: Während die einen Unternehmen jetzt durchstarten, halten andere inne. In Anbetracht dessen, was diese Unternehmen durchgemacht haben, ist Vorsicht durchaus verständlich. Wir sollten jetzt jedoch an andere Zeiten des Wandels zurückdenken und uns daran orientieren. Wer beispielsweise Ende der 1990er-Jahre nicht in eine webbasierte Zukunft investierte, verlor ziemlich schnell den Anschluss. Trotz anfänglicher Turbulenzen war mit dem nötigen Weitblick erkennbar, dass sich ein epochaler Umbruch vollzog: die Welt bewegte sich weg von traditionellen Läden hin zu hybriden Geschäftsmodellen, die den stationären und Online-Handel miteinander kombinierten. Auch lokale Rechenzentren wurden zunehmend in die Cloud verlegt. Wer diese Entwicklungen nicht rechtzeitig erkannte, dem kam seine Tatenlosigkeit teuer zu stehen.
Die große Spaltung
Die Kluft zwischen jenen, die aktiv wurden, und jenen, die sich für den Stillstand entschieden, wird in unserem neusten Bericht Business Future Index: Exploring a Model for Future Business Success mehr als deutlich. Grundlage für diesen Bericht bildete eine Umfrage, an der 3.350 Befragte aus aller Welt teilnahmen. Er gibt Aufschluss darüber, wie Führungskräfte und Mitarbeitende die Performance ihres Unternehmens in den Bereichen Rentabilität, Personalmanagement, Finanzplanung, Strategie und Prioritätensetzung bewerten – in einer Zeit, die in jeder Hinsicht durch hohe Volatilität geprägt war. Die Umfrageergebnisse zeigen eine deutliche Kluft auf zwischen den Highperformern ("Optimizer") und den weniger leistungsstarken Unternehmen ("Hesitators").
Und diese Unterschiede sind nicht unerheblich. Mehr als sieben von zehn Befragten (71 Prozent) aus der Gruppe der hinterherhinkenden Hesitators gaben an, dass sie Mitarbeitende an die Konkurrenz verloren hätten, während die Zahl bei den Optimizern lediglich bei 30 Prozent lag. Ein ziemlich großer Unterschied, nicht wahr? Dann warten Sie nur ab, bis Sie einen Blick auf die Zahlen zur digitalen Transformation geworfen haben: Während 45 Prozent der Optimizer von ihrer digitalen Transformationsstrategie extrem überzeugt waren, kann gerade mal 1 Prozent der Hesitators dasselbe von sich behaupten.
Wie heißt es so schön: Nicht lange fackeln und Nägel mit Köpfen machen. Ansonsten verliert man den Anschluss. Ganz allgemein gesagt, gehen in der Geschäftswelt jene als Verlierer hervor, die nicht klar und entschlossen handeln. Unternehmen aus der Gruppe der Hesitators geben selbst offen zu, dass sie Risiken scheuen, sich nur langsam anpassen und damit angreifbar sind. Die Daten zeigen die verheerenden Folgen deutlich. Kaum ein Unternehmen aus der Gruppe der Hesitators (5 Prozent) übertraf sein erwartetes Gewinnwachstum in den letzten drei Jahren. Zudem gaben diese Unternehmen am häufigsten (36 Prozent) an, dass sie im vergangenen Jahr Mitarbeitende entlassen mussten und unter fehlender Führung litten (51 Prozent).
Im Vergleich dazu haben über zwei Drittel der Optimizer (76 Prozent) ihre Gewinnziele erreicht und erachten sich generell als risikofreudig, flexibel, innovativ, widerstandsfähig und anpassungsfähig. Diese Unternehmen sind außerdem offen für moderne Technologien. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) nutzen bereits das Potenzial von KI und maschinellem Lernen. Zudem wissen sie ihre Mitarbeitenden zu schätzen. So gaben 87 Prozent an, dass das Thema Arbeitskultur eine klare Priorität für das Führungsteam darstellt.
Optimizer sehen Probleme gerne im Gesamtzusammenhang und legen eine Reihe von KPIs fest, um angemessene Maßnahmen zu ergreifen – ganz nach dem Motto: Nur was man messen kann, kann man auch managen. Sie bewerten sich selbst nicht nur im Hinblick auf Recruiting und Mitarbeiterbindung, sondern behalten auch Kompetenzentwicklung, Nachhaltigkeit und Geschäftsflexibilität im Auge sowie die Geschwindigkeit, in der neue Technologien eingeführt werden, und die Qualität von Unternehmensplanung und Monitoring.
Aber das heißt natürlich nicht, dass für Optimizer immer alles glatt läuft. Wir alle stehen zum Beispiel vor Herausforderungen, wenn es darum geht, qualifizierte Fachkräfte einzustellen und langfristig zu binden. Und gegen die Auswirkungen einer Pandemie ist natürlich ebenfalls niemand immun. Doch wenn Unternehmen sich kontinuierlich anpassen, aktiv nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen und alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihre Systeme und Prozesse zu modernisieren und in ihre Mitarbeitenden zu investieren, dann sind sie auf dem richtigen Kurs. So können sie künftig Chancen voll ausschöpfen und sich einen Puffer für turbulente Zeiten aufbauen, die fürs Erste hoffentlich hinter uns liegen.
Über Jochen Wießler, Regional President DACH & Eastern Europe, Unit4
Jochen Wießler war von 2017 bis 2020 bereits bei Unit4 als Global Head of Professional Services Industries und Managing Director DACH für den deutschsprachigen Raum zuständig. Nach einem Wechsel zu Oracle als Vice President ERP, SCM und EPM kehrte er 2021 zu Unit4 zurück, um die Erfolgsgeschichte fortzusetzen und den Mehrwert für die Kunden in der Region weiter zu steigern. Seine vorherigen Stationen im ERP-Segment waren ab 2007 bei Microsoft Deutschland im Bereich Dynamics ERP and Dynamics CRM und ab 2012 bei SAP Deutschland als Head of General Business (Midmarket & Partner) für Small & Medium Enterprises (SME) und das Partner Ecossystem.
(Unit4: ra)
eingetragen: 31.03.22
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