Der Geist des Outsourcing
Anders als beim Auslagern von Mainframes führt das Outsourcing von Client-Server-Systemen bestenfalls nur zu einer Verlagerung des Personals in Richtung Outsourcer
Dem Outsourcer wird nur in den seltensten Fällen auch eine optimierte IT-Umgebung übergeben wird
Von Thomas Müller (*)
(05.12.11) - Das IT-Betriebsmodell Cloud Computing stiehlt dem Outsourcing die Show. Kosten-Nutzen-Analysen zeigen, dass das Ende der 90er Jahre etablierte ASP-Prinzip "Do what you can do best – outsource the rest" – also, die Prozesskomplexität zugunsten des Kerngeschäfts zu reduzieren – vorsichtig formuliert nicht unbedingt des Pudels Kern war.
So muss sich die Phalanx der Outsourcer heute mehr denn je die Frage gefallen lassen, wie viel Personal beim Outsourcing von Windows-basierten Client-Server-Umgebungen involviert ist und wie hoch die Kosten im Vergleich zur Inhouse-IT tatsächlich sind. Rund 30 bis 40 Prozent der Ausgaben entfallen im Client-Server-Computing nämlich für den Unterhalt der Systeme – ein Grund, weshalb der Personalbedarf in der IT, trotz der Auslagerung von Systemen, weiter angestiegen war. Anders ausgedrückt: Wer über den Fachkräftemangel in der IT klagt, sollte sich vor Augen führen, dass in den letzten Jahren zahlreiche IT-Experten engagiert wurden, die eigentlich überflüssig sein sollten: Unternehmen – ob Anwender oder Outsourcer – stehen heute vor einem gewaltigen Kostenberg, der sich hauptsächlich aus Ausgaben für die IT-Administration zusammensetzt. Ähnliches gilt übrigens auch für den Einsatz von Virtualisierungsstrukturen beim Outsourcing: Die Zahl der physikalischen Server reduziert sich dann zwar außerordentlich, die Menge der Instanzen aber bleibt gleich. Das Resultat: Zu den existierenden IT-Mitarbeitern gesellen sich drei weitere für die Administration der Virtuellen Maschinen.
Die vergangenen Jahre zeigen also: Anders als beim Auslagern von Mainframes führt das Outsourcing von Client-Server-Systemen bestenfalls nur zu einer Verlagerung des Personals in Richtung Outsourcer. Diese IT-Experten sind somit rund um die Uhr damit beschäftigt, die Systeme der Kunden eins zu eins so weiter zu führen. Hinzu kommt, dass bei durchschnittlich 100 Anwendungen in mittelgroßen Firmen und nicht selten 1000 bis 3000 Applikationen in großen Unternehmen keine Zeit und kein Geld existiert, um Innovationen voranzutreiben und neue Funktionen zu implementieren. Das Outsourcing-Personal ist also größtenteils damit beschäftigt, die Systeme am Laufen zu halten – Einsparungen, etwa durch gemeinsam genutzte Services, Fehlanzeige. In diesem Zusammenhang sind allerdings auch Kunden nicht immer völlig schuldlos: Häufig wird versucht, die Probleme in der IT erst gar nicht zu lösen, sondern gleich mit outzusourcen. Das bedeutet, dass dem Outsourcer nur in den seltensten Fällen auch eine optimierte IT-Umgebung übergeben wird.
Mit Cloud Computing schöpft die Branche neue Hoffnung für das anhaltende Dilemma: Cloud Computing legt den Betrieb der Frontends und Backend-Systeme konsequent zusammen. Endgeräte werden wieder so dumm und einfach wie nur möglich. Hinzu kommt die Automation der "einfachen" Service Requests. 0815-Prozesse, wie etwa die Einrichtung von Mailboxen, wird an den Endbenutzer oder entsprechenden Assistenten "delegiert". Sie sind mit nichttechnischen Werkzeugen in der Lage, bestimmte IT-Services selbst zu verwalten. Eine Option übrigens, die auch per Outsourcing möglich gewesen wäre, von den Outsourcern allerdings nicht forciert wurde, weil deren Geschäftsmodell davon sogar teilweise partizipiert. Schließlich lässt sich durch die Einbindung des Data Center in die Wolke weiteres Einsparpotenzial lokalisieren. Lediglich in diesem Zusammenhang hatten manche Outsourcer ihre Pflicht und Schuldigkeit getan. In Sachen Client- und Serverkonsolidierung oder Service-Automation hingegen hapert es im Outsourcing bis heute.
Schließlich darf ein weiteres Manko der Outsourcing-Philosophie nicht unerwähnt bleiben: das Offshore-Modell. Im Rahmen des Outsourcing-Trends der 90er und frühen Jahre des neuen Jahrtausends verlagerte sich das IT-Personal aus Kostengründen immer weiter gen Osten. Das Problem dabei: Experten für unterschiedliche Outsourcing-Anforderungen – ob in Bangalore oder Irland – erlauben es weder dem Outsourcer noch dem Unternehmen, die einzelnen IT-Systeme – geschweige denn einzelne Prozesse – in ein wirtschaftlich und technisch akzeptables Gesamtpaket zu schnüren.
(*) Thomas Müller ist Senior Vice President Business Development / CTO Cloud & Enterprise Automation Solutions, Allen Systems Group (ASG)
(ASG: ra)
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